Wall-E hat sein Herz verloren. Seine Angebetete: Eve, die so schön glänzt und grazil durch die Lüfte schwebt. In Wirklichkeit hat Wall-E natürlich gar kein Herz, denn Wall-E ist ein Roboter. Im gleichnamigen Animationsfilm erkundet er mit neugierigen Kulleraugen die menschenverlassene Erde. Er räumt den Schutt der Zivilisation auf – und entwickelt zu seiner eigenen Überraschung Gefühle.
Künstliche Intelligenz (KI) regt seit Jahrzehnten die Phantasie des Menschen an. Die Vorstellung einer uns ebenbürtigen Maschine ruft zugleich Faszination und Grusel hervor. Aber ist das, was im Disney-Film für viel Rührung sorgt, technisch überhaupt machbar?
Lernende Maschinen
Im Allgemeinen versteht man unter Künstlicher Intelligenz computerbasierte Systeme, die ihre Umgebung analysieren und eigenständig Lösungen für ein bestimmtes Problem ermitteln. Als intelligent werden die Programme deshalb bezeichnet, weil sie aus ihrer bisherigen Tätigkeit lernen und ihr Verhalten auf veränderte Umstände anpassen. Ihr Anwendungsbereich reicht etwa von einfachen Zählfunktionen bis hin zur Berechnung komplexer Klimadaten.
Längst ist Künstliche Intelligenz zu einem ständigen Begleiter unseres Alltags geworden. Warum es trotzdem unrealistisch ist, dass Roboter wie der Filmstar Wall-E uns demnächst auf dem Heimweg begegnen – ob als Freund oder Feind –, kann die Mathematikerin Gitta Kutyniok erklären. Sie ist Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und forscht dort in einem Projekt zu Chancen und Grenzen Künstlicher Intelligenz. Die KI-Expertin gibt Entwarnung: Eine feindselige Übernahme durch Roboter und Computer müssen wir nicht fürchten.

ifp: Frau Kutyniok, wie Menschen und Lebewesen lernen, wissen wir. Aber wie lernt eigentlich eine Maschine?
Kutyniok: Stellen Sie sich vor, Sie wollen einer Maschine beibringen, eine Katze von einem Hund zu unterscheiden. Dann zeigen Sie der Maschine viele Bilder von Katzen und viele von Hunden. Ähnlich wie bei einem kleinen Kind, dem man sagt: Schau mal, das ist Nachbars Katze und da ist ein Hund. Bei diesem Trainingsprozess erkennt die Maschine bestimmte Strukturen, die eine Katze als Katze klassifizieren und einen Hund als Hund. Wenn man der Maschine dann das Bild einer Katze zeigt, das sie bisher nicht kennt, dann hofft man, dass sie das Tier aufgrund der erlernten Merkmale richtig zuordnen kann. Der Unterschied zum Kind ist, dass man der Maschine viele Millionen Bilder zeigen muss, während das Kind die Transferleistung schon nach ein paar Mal erbringen kann.
ifp: Seit wann kann eine Maschine solche Lernprozesse vollziehen?
Kutyniok: Das ist im Grunde nichts Neues. Derartige Lernalgorithmen waren im Wesentlichen schon in den 1940er Jahren bekannt. Aber damals standen noch nicht ausreichend große Datenmengen zur Verfügung und konnten auch nicht verarbeitet werden, weil die Rechenleistung nicht ausreichte. Beide Probleme liegen heutzutage nicht mehr vor, so dass diese Algorithmen ihre volle Kraft entfalten können. Ich denke, man kann guten Gewissens sagen, dass die Entwicklung von KI ein ähnlicher Quantensprung ist wie die Erfindung der Glühbirne oder des Internets.
ifp: Was macht diesen Quantensprung aus, durch den Computersysteme nun intelligent werden?
Kutyniok: Ich würde in Frage stellen, ob diese Vorgänge wirklich schon intelligent sind. Es gibt vieles, was Maschinen heute noch nicht können. Sie werden bisher nur auf bestimmte Aufgaben trainiert – zum Beispiel Hunde von Katzen zu unterscheiden. Multifunktionale Anwendungen, die man tatsächlich als intelligent bezeichnen könnte, befinden sich gerade erst in einer sehr frühen Entstehungsphase. Dafür müssten sich die Maschinen selbstständig auf verschiedene Aufgaben einstellen können.
Eine andere Einschränkung ist, dass sie bisher keine Kausalität verstehen können. Sie erkennen beispielsweise nicht den Zusammenhang, dass eine Tasse kaputt ist, weil sie mir aus der Hand gefallen ist. Was sie wahrnehmen, sind nur Korrelationen, also das Zusammentreffen zweier Ereignisse, nicht aber, dass eines das andere auslöst. Das ist bisher ein fundamentales Problem in der Entwicklung von KI. Es gibt hier erste Lösungsansätze, die aber frühestens in den nächsten fünf bis zehn Jahren realisierbar scheinen.
„Die KI ist nur so gut wie die Daten, auf die sie trainiert ist.“
Gitta Kutyniok, Mathematikerin
ifp: Also müssten wir „Künstliche Intelligenz“ eigentlich immer in Anführungszeichen schreiben?
Kutyniok: Auf jeden Fall. Von den Eigenschaften menschlicher Intelligenz sind wir noch meilenweit entfernt. Die KI ist nur so gut wie die Daten, auf die sie trainiert ist. Und je nachdem, wie man Intelligenz definiert, bezweifle ich auch, ob wir sie maschinell jemals erreichen werden. In sehr speziellen Bereichen aber, die durch ganz konkrete Regeln definiert sind, kann die KI einen klaren Vorteil gegenüber uns Menschen haben. Das kann zum Beispiel ein Computerspiel sein oder eine bestimmte Rechenaufgabe mit hohen Datenmengen.
ifp: Warum erinnern Symbolbilder zur KI oft an das menschliche Gehirn?
Kutyniok: Die derzeit häufigste Form der KI sind sogenannte künstliche neuronale Netze. Diese sind dem menschlichen Gehirn nachempfunden. Dort haben die Nervenzellen, die Neuronen, die Aufgabe, Reize nach bestimmten Mustern weiterzuleiten. KI bildet dieses System ab, wobei mathematische Formeln die Neuronen ersetzen. Je mehr solcher Verknüpfungen ich hintereinander schalte, umso präziser wird das Ergebnis, das ich auf eine bestimmte Frage erhalte.
Wo hilft KI? Ein Wimmelbild zum Anklicken
Landwirtschaft
In der Landwirtschaft werden mancherorts Roboter und Drohnen eingesetzt, um Ackerflächen zu überwachen. Mit den Daten, die sie sammeln, können Bauern beispielsweise die Bewässerung und Düngung ihrer Felder anpassen, aber auch die Veränderung durch den Klimawandel analysieren.
Übersetzung
Die Verständigung im Auslandsurlaub war früher ohne Wörterbuch kaum möglich. Heute verstehen entsprechende Übersetzungsprogramme den Sinn eines Satzes und übertragen so auch mehrdeutige Wörter korrekt. Zudem gleichen sie Grammatik und Satzstellung an die jeweilige Sprache an, um möglichst natürlich klingende Sätze zu produzieren.